Deutscher Freidenker-Verband e.V., Landesverband Sachsen-Anhalt

Wofür steht Trump?

Über die Fraktionsspaltung im US-Monopolkapital – Gedanken –

Kurt Tucholsky wurde einmal gefragt, was er täte, hätte er die Macht. Er frug zurück: „Für wen habe ich die Macht?“ Die künftige Politik der USA zu prognostizieren bedeutet also zu identifizieren, welche Kapitalgruppen Donald Trump vertritt. Wie weit die marxistische Forschung durch den Umsturz in DDR und UdSSR zurückgeworfen wurde, kann man auch am Fehlen eines allgemeinen Verständnisses dieser Frage innnerhalb der kommunistischen Bewegung ablesen.

Victor Perlo unterschied noch 1960 in verschiedenen Büchern sieben wesentliche US-Kapitalgruppen. Doch kann man hier weiter verallgemeinern und zwei Hauptfraktionen unterscheiden, die letztendlich auf die Kolonisierungsgeschichte der USA zurückgehen: Zum einen gibt es die Gebiete, die einst französische Kolonie waren, nämlich die Provinz Louisiana entlang des Mississipi und von dort westwärts bis zum Pazifik. Der „mittlere Westen“ der USA, der eigentlich östlich des US-Mittelmeridians liegt, gehört dazu. Es dominiert die verarbeitende und Hochtechnologie-Industrie im engeren Sinne (historisch Ford, General Electric, General Motors, Westinghouse, Wal-Mart usw.). Dementsprechend strebt diese „Westküstenfraktion“ billige Energie, niedrige Zinsen und hohe Preise für Industrieprodukte an. Religiös orientiert sich diese Gruppe mehrheitlich am Katholizismus und außenpolitisch auch am Islam. Einige ihrer präsidialen Vertreter sind Barack Obama, William Clinton, Ronald Reagan, Gerald Ford, John F. Kennedy, Harry Truman.

In allen genannten Parametern stellt die „Ostküstenfraktion“ den Gegenpol dar. Rohstoff- und Dienstleistungskonzerne, dabei zentral Medien und Banken, erstreben hohe Rohstoffpreise, die auf die gesamte Produktionskette durchschlagen, die Inflation antreiben und zu höheren Zinsen und Gewinnen der Finanzkonzerne führen. Wichtig sind Exxon-Mobil, in dem vier Fünftel der Spaltprodukte des Rockefeller-Imperiums zusammengefaßt sind, und Chevron-Texaco, der Zusammenschluß der Standard Oil of California mit dem Clan der texanischen Erdölmonopolisten. Man beachte, daß auch Microsoft hierein integriert ist. Der Sitz Seattle liegt zwar am Pazifik, doch war der Bundesstaat Washington (nicht zu verwechseln mit der Hauptstadt Washington D.C.) britische Kolonie. Überdies wurde die Firma in Texas gegründet. Mit den Präsidenten Bush junior und senior, Carter, Nixon, Johnson, Eisenhower und Franklin D. Roosevelt setzten sie ihre Interessen um. Diese Fraktion ist eher protestantisch und jüdisch, außenpolitisch auch pro-orthodox. Donald Trump gehört eindeutig zu dieser Gruppe.

Beide Großfraktionen sind im wesentlichen gleich stark. Zünglein an der Waage ist wohl vor allem der militärisch-industrielle Komplex, der zu schwach ist, allein zu regieren, und regional nicht so eindeutig zuzuordnen ist. Er lenkt aber nach Möglichkeit die US-Außenpolitik immer gegen die global gesehen größten Rivalen der USA, da dies die Rüstungsaufwendungen und also seine Gewinne maximiert. Diese größten Feinde waren in den zwei Weltkriegen Deutschland, dann eine Zeit lang die UdSSR. Nunmehr steht wohl wieder China im Fokus.

Wie erklären sich die außenpolitischen Interessen beider Großfraktionen?

Monopole sind bestrebt, kleine Konkurrenten auszuschalten. Produzenten, die zu stark sind, um ausgeschaltet werden zu können, versucht man, in ein Oligopol einzubinden. Ersteres bedeutet Konfrontation, letzteres Kooperation. Auf der politischen, also staatlichen Ebene führt dies dazu, daß die USA unter der Herrschaft der Westküstenfraktion vorrangig diejenigen Staaten bekämpfen, deren Wirtschaftsstruktur durch Rohstofförderung geprägt ist. Dies sind die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer, aber auch Rußland und Großbritannien. Hauptverbündete der USA sind in solchen Phasen die klassischen Industrieländer Deutschland, Japan und Frankreich, neuerdings indirekt auch China.

Ein Beispiel ist Libyen. 1993, im Jahr der Amtsübernahme Clintons, verhängten die USA (und mit ihr die UNO) Sanktionen gegen die Volksrepublik, unter Bush wurden diese annulliert. Es kam sogar eine Geheimdienstkooperation zwischen USA und Libyen gegen den islamischen Terrorismus in Gang. Als mit Obama die Westküstenfraktion in den USA an die Macht zurückkehrte, wurden eben diese islamischen Terroristen durch die NATO zum Sieg geführt. Wesensgleich war die US-Politik gegen die UdSSR in Afghanistan in den 1980er Jahren.

Demgegenüber kooperiert die Ostküstenfraktion mit Rußland, teilweise auch über den Systemgegensatz hinweg. Entsprechend kamen die Bündnisse im Großen Vaterländischen Krieg und die sogenannte Entspannungspolitik zustande. Die UdSSR war, Rußland ist größter oder zweitgrößter Erdöl- und -gasförderer. Um die Ölpreisschocks 1973 und 1978 zu generieren, war es notwendig sicherzustellen, daß die Sowjetunion nicht den westlichen Erdölmarkt großflächig bediente. Dies steckte hinter dem Interesse der USA an „Entspannung“. Trumps Avancen in Richtung Moskau erklären sich genauso.

Die Ostküstenfraktion der US-Monopolbourgeoisie konfrontierte in der Vergangenheit bevorzugt die islamische Welt (Irak, Iran, Syrien und die US-eigenen Satrapen), China, Kuba, die DVR Korea, aber auch Deutschland und Japan. Sie wird es mit Trump wieder tun. Das schließt einen diplomatischen Abtausch der Interessen mit Rußland, etwa über Syrien, nicht aus, vielmehr sogar ein. Denn das US-Kapital weiß wohl um seine Prioritäten. Die Hauptstoßrichtung der nächsten Zeit wird China sein. Auch für die ohne Großbritannien noch katholischere EU brechen schlechte Zeiten an, die für uns Kommunisten gute Zeiten sein können, wenn wir die innerimperialistischen Widersprüche zu nutzen verstehen, so wie es Stalin konnte und wofür er heute vom Feind am meisten gehaßt wird. Nicht umsonst ist der Nichtangriffspakt mit Deutschland von 1939 ein stets wiederkehrendes zentrales Hetzmotiv.

Dieser notgedrungen äußerst komprimierte Überblick kann viele Spezial- und Einzelfälle nicht berücksichtigen, viele Belegbeispiele nicht erörtern.

Es sei nur noch auf einige Spezifika der USA verwiesen: Hier wird kein Kompromiß innerhalb der herrschenden Klasse generiert, wie es in der BRD über die Parteien erfolgt. Vielmehr gehören Präsident und Vizepräsident normalerweise den entgegengesetzten Fraktionen an. Entsprechend hetzte Trumps Vizepräsident im Wahlkampf besonders scharf gegen Rußland. Auch der „Iran-Contra-Skandal“ wurde nur deshalb zum Skandal, weil die Ostküstenfraktion, die sich um Vizepräsident Bush gruppierte, in den 1980er Jahren in den USA eben nicht an der Macht war. Schließlich wird der Afghanistan-Krieg von 2001, der nicht in das unten aufgeführte Schema paßt, oft als „Cheneys Krieg“ (nach dem amtierenden Vizepräsidenten) bezeichnet.

Ansonsten ergäben Amtsenthebungsverfahren und Präsidentenmorde auch gar keinen Sinn.

Wer in den USA regiert, zeigt sich besonders einfach am Weltmarktpreis für Erdöl. Dieser stieg von 1972 bis 1979 von 4 auf 36 Dollar pro Faß, fiel bis 1988 auf 16 zurück, erreichte einen kurzzeitigen Peak während des ersten Irak-Krieges, wurde im Februar 1998 unter Clinton zeitweilig bis auf 9 gedrückt. Im August 2008, kurz vor Ende der Ära Bush, zahlte man teilweise 147 Dollar/Barrel, im Frühjahr diesen Jahres, am Ende der Ära Obama wieder unter 29. Komponenten dieser Interessen sind, daß die Erdölfraktion der OPEC, dem Erdölproduzentenkartell, freie Hand läßt und steigende Preise ideologisch mit der Diskussion um „Peak-Öl“, der Erschöpfung der Ressourcen, garniert. Demgegenüber versucht die Industriefraktion ein Verbraucherkartell für Erdöl zu schaffen, welches die Verbrauchsmenge begrenzt und so den Preis drückt. Dies ist unter dem Namen Kyoto-Prozeß bekannt. Typisch für den verrotteten Spätimperialismus ist, daß diese aus Umweltgesichtpunkten durchaus sinnvolle Maßnahme, den Raubbau am Erdöl zu stoppen, mit haltlosen Spekulationen zum menschlichen Einfluß auf das Klima gekoppelt wird. Trump steht gegen beides.

Der zeitliche Ablauf der interfraktionellen Machtübernahme in den USA sieht etwa so aus: Im ersten Amtsjahr installiert der neue US-Präsident neue Leute und neue Programme auf allen Ebenen. Im zweiten laufen die Programme und Vorbereitungen an, werden aber vor den Kongreßwahlen im November (demnächst also 2018) nur begrenzt wirksam. Unmittelbar danach entfaltet sich das ganze Wesen der jeweiligen Politik. Daher begannen alle großen Kriege der letzten Dekaden im dritten Amtsjahr (meist erstes Quartal) des jeweiligen US-Präsidenten: 1983 Grenada, 1991 Irak, 1995 bosnische Serben, 1999 Bundesrepublik Jugoslawien, 2003 Irak, 2011 Libyen. 2007 wurde der geplante und vorbereitete Angriff auf den Iran im letzten Moment abgeblasen. Auch 2015 wurde durch die USA kein neuer Krieg eröffnet. Die Ursachen dafür herauszufinden, wäre eine Aufgabe für sozialistische Historiker, die damit der Friedensbewegung entscheidend voranhelfen könnten.

VKWF

 

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