Deutscher Freidenker-Verband e.V., Landesverband Sachsen-Anhalt

Gedanke zum Tag, was ist schon Theorie, … ohne Praxis?

Erkenntnis was immer sie auch ist, oder wie sie daherkommt, ist in der Regel konkret historisch und hat eine weltanschauliche Basis. Heute basieren sehr viele Erkenntnisse auf einer weltanschaulich idealistischen Basis, entsprechend der Grundfrage einer jeden Philosophie, darauf wurden die Menschen seit Jahrzehnten auch im Osten des Landes konditioniert. Allerdings als der Osten des Landes noch DDR gewesen, war es anders, die allgemeine weltanschauliche Basis war materialistisch, es wurde viel Wert auf den dialektischen und historischen Materialismus und dessen Anwendung gelegt, allerdings zum Teil auch der Grundstein für den heutigen Idealismus. Wie so etwas funktioniert, ist ein Thema für sich, denn auch eine wissenschaftliche Theorie kann in den Status einer Religion erhoben werden, wenn der Erkenntnisgewinn mittels dogmatisch angewendeter Lehrsätze gefördert. Das Dogma ist ein Problem, auch ein Zeichen dafür, dass das, was dogmatisiert wurde, eigentlich nicht verstanden. Aus diesem Grund war manche Aussage nicht falsch, nur nicht konkret historisch korrekt angewendet im Prozess der Erkenntnis, sondern zur absoluten Wahrheit erhoben und Erkenntnisse manifestiert, ohne sie zu erringen, negierte sie sich oft selbst.

Auch wenn dieses nicht wissenschaftlich, sondern in der täglichen Anwendung geschehen, z. B. aus Unwissenheit, es kann nicht sein, was nicht sein darf, nur wenn doch ist, was nicht sein sollte, wurde oft nicht ergründet die Ursachen, sondern es wurde verkündet, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, und damit der Anfang vom Ende begründet, in der Hoffnung, dass sich etwas Besseres findet. Dazu nicht nach vorn geschaut, vergangener Erkenntnisse sich bedienend, sondern zurückgeschaut und versucht auf verrotteten Fundamenten aufzubauen, die massiven, neuen Fundamente zerstörend, weil sie nicht über die Partina der alten verfügten. Doch sie sind noch da, die neuen Fundamente, es kann sich ihrer bedient werden, den Erkenntnisprozess förderlich, progressive Veränderungen generierend.

Heute ist nicht alles anders, wie gern behauptet und die Erkenntnisse der einst als Klassiker bezeichneten überholt, ganz im Gegenteil, Kapitalismus ist heute noch Kapitalismus und Imperialismus seine höchste Form. Das Aussehen ist etwas anders, es wurde an der Fassade gearbeitet, neue Materialien eingesetzt, neue Technologien angewandt, aber hinter der Fassade, welche mehr und mehr bröckelt, wirken dieselben objektiven Gesetzmäßigkeiten wie einst. Sie wurden erkannt und in der DDR wusste man besser über die objektiv wirkenden Gesetzmäßigkeiten im Kapitalismus bescheid als im Kapitalismus selbst, denn sie waren erkannt dank einer wissenschaftlichen Weltanschauung. Welche sich gelegentlich mit dem Erkennen des eigenen Seins in der Praxis etwas schwertat, auch weil neue Wege schwer zu gehen sind, mit jedem Schritt voran wurde Neuland betreten und es ist schwer zu sagen, mit welchen Konsequenzen zu rechnen, wie der Untergrund auf den zu treten beschaffen. Nur das war in der Geschichte immer schon so, wer neue Wege geht, wird es immer schwerer haben als jene, welche in ausgetretenen Pfaden sich im Kreis bewegen, aber er wird sich vom Kreislauf befreien, aus einer Bahn heraustreten, welche letztlich nur zum Ziel für jene führt, welche die Bahn vorgeben und davon partizipieren, dass möglichst viele dieser folgen, egal wie viele auf der Strecke bleiben und über wie viel Leichen hinweggeschritten werden muss und es werden auf der Kreisbahn immer mehr … Leichen.

Wenn ich heute manche Schriftstücke aus der DDR lese, und mich meines eigenen Lebens in der DDR erinnere, muss ich feststellen, wie weit wir eigentlich auf dem Weg zur Befreiung des Menschen vorangekommen waren und es fällt mir nach wie vor schwer nachzuvollziehen, warum viele Menschen wieder in die alten Ketten, auch wenn diese länger und glänzender als in der Zeit bevor es die DDR gegeben, zurückwollten. Es gab viele welche sich bekannt und bei ernsten Schwierigkeiten gerannt, da hatte sich nichts geändert, auch wenn manch Zeitgenosse behauptete, heute sei alles ganz anders, auch wenn es anders war, alles war es nicht, entscheidende Entwicklungen brauchen ihre Zeit und sie haben auch ihre Zeit, insbesondere trifft dieses auf Entwicklungen des Bewusstsein zu, die Geschichte kann Lieder darüber singen. Das Sein bestimmt das Bewusstsein und die Welt ist erkennbar, so die Materialisten, doch sie wissen auch, das Bewusstsein wirkt auf das Sein zurück, selbst wenn mit vielen Illusionen hoffnungsvoll verbunden, im Sumpf des Idealismus, die Zukunft erst einmal wieder verschwunden.

Heute sehen wir, wie die Ketten wieder kürzer werden, der Glanz verschwindet und stehen diesem oft Machtlos gegenüber, aber wir sind nicht machtlos, wenn wir unsere Werkzeuge wieder aufnehmen, lernen sie einzusetzen und anzuwenden, wir haben die Macht und Wissen ist Macht, Unwissenheit macht Machtlos. Es muss das Fahrrad nicht neu erfunden werden, wir müssen es nur wieder hervorholen, es fahrbereit machen und kräftig in die Pedale treten. Es ist kein Perpetuum mobile, welches einmal angeworfen und ohne weitere Energiezufuhr funktioniert, es braucht des Menschen Tat … immer!

Thomas Loch

Hier ein Zitat von Friedrich Engels:

Die Welt, ein Komplex von Prozessen!

Der große Grundgedanke, dass die Welt nicht als ein Komplex von fertigen Dingen zu fassen ist, sondern als ein Komplex von Prozessen, worin die scheinbar stabilen Dinge nicht minder wie ihre Gedankenabbilder in unserm Kopf, die Begriffe, eine ununterbrochene Veränderung des Werdens und Vergehens durchmachen, in der bei aller scheinbaren Zufälligkeit und trotz aller momentanen Rückläufigkeit schließlich eine fortschreitende Entwicklung sich durchsetzt – dieser große Grundgedanke ist, namentlich seit Hegel, so sehr in das gewöhnliche Bewusstsein übergegangen, dass er in dieser Allgemeinheit wohl kaum noch Widerspruch findet. Aber ihn in der Phrase anerkennen und ihn in der Wirklichkeit im Einzelnen auf jedem zur Untersuchung kommenden Gebiet durchzuführen, ist zweierlei. Geht man aber bei der Untersuchung stets von diesem Gesichtspunkt aus, so hört die Forderung endgültiger Lösungen und ewiger Wahrheiten ein für allemal auf; man ist sich der notwendigen Beschränktheit aller gewonnenen Erkenntnis stets bewusst, ihrer Bedingtheit durch die Umstände, unter denen sie gewonnen wurde; aber man lässt sich auch nicht mehr imponieren durch die der noch stets landläufigen alten Metaphysik unüberwindlichen Gegensätze von Wahr und Falsch, Gut und Schlecht, Identisch und Verschieden, Notwendig und Zufällig; man weiß, dass diese Gegensätze nur relative Gültigkeit haben, dass das jetzt für wahr Erkannte seine verborgene, später hervortretende falsche Seite ebensogut hat wie das jetzt als falsch Erkannte seine wahre Seite, kraft deren es früher für wahr gelten konnte; dass das behauptete Notwendige sich aus lauter Zufälligkeiten zusammensetzt und das angeblich Zufällige die Form ist, hinter der die Notwendigkeit sich birgt – und so weiter.

Quelle: *
Aus „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“

Friedrich Engels MEW Band 21, Seite 291/292, Dietz Verlag Berlin 1984

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