Die Deutsche Demokratische Republik im Spiegel ihrer Kombinate: VE Braunkohlenkombinat (BKK) Bitterfeld
VE Braunkohlenkombinat (BKK) Bitterfeld
Zentraler Zweig der Grundstoffindustrie ist die Energiewirtschaft. Auf dem Territorium der DDR stand als einheimischer fossiler Energieträger nur die Braunkohle in so großen Mengen zur Verfügung, daß ihre Nutzung langfristig angelegt werden konnte. Die Braunkohle entstand im geologischen Zeitalter Tertiär im nördlichen Vorland der sich auffaltenden Bruchschollengebirge. Ihre intensive Ausbeutung begann sogleich mit der Industrialisierung im 19.Jahrhundert. Das hatte zur Folge, daß die leicht abbaubaren oberflächennahen Vorkommen bereits in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts aufgebraucht waren. Man ging daher zunehmend zum Untertageabbau der Braunkohle über. 1885 wurden im Kohlerevier um Halle, Leipzig und Bitterfeld drei Viertel der Kohlenförderung untertägig erbracht. Um 1900 erfolgte eine Trendumkehr: Nunmehr schloß man auch tiefer liegende Flöze (Schichten mit Kohle) im Tagebau auf. Im Tagebau Amsdorf etwa tauchen noch heute inmitten der abzubaggernden Schichten die Reste des Untertage-Altbergbaues auf. Obwohl der DDR also genügend Braunkohle zur Verfügung stand, mußten wir mit durchschnittlichen Flözstärken von 30 Metern klarkommen, während in Westdeutschland auf Flöze von bis zu 300m Mächtigkeit zugegriffen werden konnte. Das Verhältnis Abraum zu Kohle war also groß und verschlechterte sich besonders im Verlaufe der 1980er Jahre immer weiter. Die Braunkohlenförderung wurde in zwei Kombinaten organisiert.
1969 wurde das Volkseigene Braunkohlenkombinat Bitterfeld (BKK Bitterfeld) gebildet. Es umfaßte schließlich ca. 30 000 Arbeitskräfte. (Davon wurden 15000 allein im Bitterfelder Raum im Gefolge der Wende arbeitslos.)
Den Stammbetrieb des Kombinates etablierte man in Bitterfeld. Dazu vereinigte man das 1958 gebildete Braunkohlenwerk (BKW) „Einheit“ mit dem daraus 1961 abgespaltenen BKW „Mulde-Nord“ erneut. Zum BKW „Einheit“ gehörten die Tagebaue Freiheit I, II und III, Holzweißig-Ost, Golpa I, II, III und IV, Muldenstein und Edderitz sowie sechs Brikettfabriken. Die Tagebaue Muldenstein und Golpa-Nord zählten zum BKW „Mulde-Nord“. Ständig wurden ausgekohlte Tagebaue rekultiviert, die Großgeräte aufwendig umgesetzt und neue Baufelder aufgeschlossen. Erst am 1.12.1986 beispielsweise wurde im Tagebau Breitenfeld die Kohleförderung inbetriebgenommen.
Dem BKK Bitterfeld wurden sämtliche in Braunkohlenwerken zusammengefaßten Braunkohlentagebaue und Brikettfabriken der DDR-Bezirke Halle und Leipzig angegliedert, vom BKW Deuben mit 4000 Beschäftigten in der Brikettfabrik Deuben und dem Tagebau Profen bis zum VEB ROMONTA Amsdorf, von Schleenhain bis Espenhain. Zu den BKW gehörten bisweilen Kraftwerke und Kokereien. In Amsdorf wurde aus der dortigen hochwertigen Braunkohle Naturwachs gewonnen, daher der Name: ROMONTA = Rohmontanwachs. Bei Bitterfeld wurde zusätzlich zur Kohle Bernstein gewonnen.
Allgemein sank aber mit der steigenden Förderung die durchschnittliche Qualität der Kohle. Der Schwefel- und der Sandanteil stiegen. Erforderlich war daher eine qualitätsgerechte Sortierung. Gute Kohle wurde zu Briketts verpreßt, schlechte als Rohkohle in Kraftwerken verfeuert. Auch die unter dem Markennamen „Rekord“ vertriebenen Briketts wurden sortiert. Die besten Deubener Briketts gingen beispielsweise an die Thüringer Porzellanfabriken.
Wie bei vielen Kombinaten wurden dem BKK auch Betriebe angegliedert, die zwar mit der Hauptproduktion verflochten waren, jedoch nicht direkt dem Produktionsprofil entsprachen. Das war beim 1983 angeschlossenen VEB Brunnenfilter Bitterfeld der Fall. Dieser übernahm für das Kombinat die Konsumgüterproduktion (Steinguttöpfe, -vasen etc.), die unabhängig vom eigentlichen Sortiment von jedem Kombinat zu erbringen war.
Wie aufwendig die Braunkohlenutzung war, verrät ein Blick auf den Tagebau Gräfenhainichen, heute „Ferropolis“. Er belieferte zu DDR-Zeiten die zwei Großkraftwerke Vockerode und Zschornewitz. Da die Abraum- und Kohlebagger, Förderbrücken, Grubenbahnen usw. alle elektrisch betrieben wurden, verschlang der Tagebau allein ein Drittel der Stromproduktion von Vockerode. Ein Sechstel der Kohle wurde also gebraucht, um überhaupt Kohle zu fördern. Zudem verschlissen die Bolzen in den Baggerketten sehr schnell und mußten alle zwei Wochen erneuert werden. Die Kraftwerke hatten nur eine Lagerhaltung von sechs Stunden. Traten Störungen auf, mußten sie also auf jeden Fall in sechs Stunden behoben sein. So mußten große Mannschaften von Betriebshandwerkern dreischichtig bereit stehen. In kalten Wintern fror die sehr wasserhaltige Braunkohle an Förderbändern, Waggons usw. fest und mußte von Hand abgeschlagen werden. Daher wurden in den Wintern 1985/86 und 1986/87 jeweils starke Kräfte von Nationaler Volksarmee und Deutscher Volkspolizei in den Winterkampf geworfen, um diese Arbeiten zu erledigen und auch den Bahntransport abzusichern. Im Februar 1987 gab es in der ganzen DDR nur eine einzige voll einsatzfähige VP-Bereitschaft („Hans Beimler“ Halle, 6.), alle anderen waren in der Volkswirtschaft tätig.
Braunkohle läßt sich auch schwerer verarbeiten als hochwertigere Kohle, Erdgas oder gar Erdöl. Dennoch rechnet man heute, daß sich in verschiedenen asiatischen Ländern ab einem Erdölpreis von 50 bis 60 Dollar pro Faß (159 Liter) Treibstofferzeugung durch Kohlehydrierung lohnt.
Unsere DDR-Elektroenergie war hart, aber ehrlich erarbeitet. Wir haben nicht fremden Ländern deren Rohstoffe geraubt oder abgepreßt.
W.Fischer