Deutscher Freidenker-Verband e.V., Landesverband Sachsen-Anhalt

Die Deutsche Demokratische Republik im Spiegel ihrer Kombinate: VE Braunkohlenkombinat (BKK) Senftenberg

Die Deutsche Demokratische Republik im Spiegel ihrer Kombinate:

VE Braunkohlenkombinat (BKK) Senftenberg

Die Energie- und Brennstoffwirtschaft der DDR zählte zu jenen volkswirtschaftlichen Bereichen mit extrem niedriger Grundfondseffektivität. (Fast nur Wasserwirtschaft war noch niedriger.) Diese ist das Verhältnis aus Produktionsumfang zu Investitionsaufwand. Die Umsiedlung, ggf. Umleitung von Flüssen, Verkehr, Grundwasserhandhabung, der Aufschluß von Tagebauen mit Bewegung riesiger Abraummengen mußten erst einmal erbracht werden, bevor das erste Gramm Kohle gefördert werden konnte. 1964 betrug das Verhältnis von Abraum zu freigelegter Kohle 2,8:1, 1979 dann schon 4,5:1. Für jeden Kubikmeter Kohle mußten also viereinhalb Kubikmeter Dreck bewegt werden. Pro Tonne Kohle waren 1970 3,2 und 1985 4,5 Kubikmeter Erde möglichst so umzulagern, daß die Restlandschaft gut rekultiviert werden konnte. 1971 betrugen so die Gewinnungskosten für eine Tonne Rohbraunkohle 6,33 Mark. Bis 1988 sollten sie sich (Plan 1979) auf etwa 9,70 Mark erhöhen. In den 1970er Jahren deckten die Amortisationen nur die Hälfte der notwendigen Investitionen ab. 1979 mußten 30% des gesamten Investitionsvolumens der DDR für die Erweiterung der energetischen Basis aufgewendet werden. Denn: Bedingt durch die Notwendigkeit, mit weniger Erdöl auszukommen, erhöhte sich die Braunkohleförderung zu Beginn der 1980er Jahre noch einmal sprunghaft. In Millionen Tonnen gerechnet stieg sie von 1950 mit 137, 1955 mit 201, 1960 mit 225 auf 251 1965 und 261 1970 an, fiel dann wegen der stärkeren Verfügbarkeit sowjetischen Erdöls auf 246 1975 ab. 1980 wurden noch 258, 1985 schon 312 und 1989 301 Millionen Tonnen Rohbraunkohle in der DDR gefördert. Mit 296,3 Millionen Tonnen abgebauter Braunkohle war 1984 die DDR nicht nur größter Braunkohleproduzent der Welt, sondern grub allein ein Viertel der gesamten Weltproduktion aus der Erde. Der Anteil der Braunkohle am Primärenergieverbrauch der DDR betrug 1980 60,2%.

Das wichtigste Abbaurevier war die Lausitz, wichtiger noch als die Förderung im BKK Bitterfeld in den Bezirken Halle und Leipzig. Die Lausitzer Braunkohlenfelder dehnten sich ursprünglich über ca. 360 000 ha aus. Davon sind bis heute ungefähr 23% im Tage- oder Tiefbau abgebaut worden. Von der Bergbaufläche befinden sich zwei Drittel in Brandenburg und ein Drittel in Sachsen. Die Lausitzer Braunkohlenwerke (BKW) in Brieske, Senftenberg und Großräschen wurden 1968 im neugebildeten Braunkohlenkombinat Senftenberg zusammengeschlossen. 1988 sicherte das Kombinat 60% des DDR-Bedarfs an Braunkohle. Folgerichtig nannte man den Bezirk Cottbus, der fast alle Fördergebiete umfaßte und sich aus Teilen der heutigen Länder Sachsen und Brandenburg zusammensetzte, den „Kohle- und Energiebezirk“ der DDR. Im Unterschied zum Revier Halle-Leipzig-Bitterfeld-Zeitz gab es im Bezirk Cottbus kaum gewachsene andere Industrien wie die Chemie oder den Maschinenbau. Für die Entwicklung dieser vor 1945 sehr armen Gegend mit großem Anteil sorbischer Bevölkerung hatte der Braunkohlenbergbau somit große Bedeutung.

Das BKW Senftenberg war der Kombinats-Stammbetrieb, dem u.a. auch ein Bereich Konsumgüter mit gärtnerischer Produktion angeschlossen war. (Jedes Kombinat hatte die Pflicht, mindestens 5% der Warenproduktion mit Konsumgütern zu realisieren. Das war sicherlich ein Fehler, der die Arbeitsproduktivität verringerte. Denn damit wurde die Spezialisierung und Arbeitsteilung in der Volkswirtschaft negiert. Besser wäre, wenn jeder Betrieb erzeugt, was er besonders gut kann, bei einem BKW also Kohle.) Neben Brikettfabriken (wie Fortschritt, Impuls, Morgenrot oder Tatkraft), Kokereien und Kraftwerken zählten am Ende der 1980er Jahre 15 Tagebaue zum VE BKK Senftenberg, u.a. Meuro, Senftenberg/Nord und Koschen im Stammbetrieb, Sladow und Großräschen/Süd. Sie waren, außer im Stammbetrieb, in den BKW Welzow, Cottbus, Glückauf und Oberlausitz sowie im VEB BuS Welzow organisiert.

Der Heizwert (Energieinhalt pro Masse) von Erdöl ist ca. viereinhalb mal höher als der von Braunkohle. Der Transportaufwand war somit hoch: Der Anteil der Kohle- und Kokstransporte an der Versandmenge der Deutschen Reichsbahn stieg von 28,8% 1978 auf 34,3% 1985. In absoluten Zahlen bedeutete das einen Anstieg um 44% innerhalb eines reichlichen Fünfjahrplans. Die SED versuchte den Transport dadurch planmäßig gering zu halten, daß die Kohleverarbeitung in der Nähe der Förderung erfolgte (z.B. im Gaskombinat Schwarze Pumpe). So wurde die Kohle aus dem 1956 aufgeschlossenen Tagebau Meuro etwa in dem nach fünfjähriger Bauzeit 1967 eröffneten Kraftwerk Brieske und der Brikettfabrik Fortschritt verarbeitet. Jene wiederum wurde auch vom Kraftwerk Brieske versorgt und erzeugte die bekannten Fortschritt-Braunkohlenbriketts. Die Brikettfabrik Tatkraft wurde vom Tagebau Großräschen Süd versorgt. Wenn eine Versorgung aus unmittelbarer Nähe nicht mehr möglich war, weil die Vorräte sich erschöpft hatten (1966 Niemtsch), wurden auch Fabriken geschlossen, so 1986 die Brikettfabrik Morgenrot nach über einhundertjähriger Betriebsdauer. 1980 war der Tagebau Sedlitz ausgekohlt, der Zentrum eines eigenen BKW gewesen war. Bereits 1966 bis 1972 war der ehemalige Tagebau Senftenberg geflutet worden. 1973 konnte er als Naherholungsgebiet Senftenberger See eröffnet werden.

Das BKK Senftenberg unterstand dem Ministerium für Kohle und Energie. Seine Kumpel erhielten für ihre harte Arbeit neben einem überdurchschnittlichen Lohn noch Schichtzuschläge, Bergmannsgeld, „Deputate“ (also Kohle für zu Hause) und den bekannten 32-prozentigen Bergmannsschnaps („Kumpeltod“), jedenfalls wer im Außenbereich oder unter erschwerten Bedingungen arbeitete. Mit der BSG Energie Cottbus verfügten sie über eine Fußballmannschaft, die erst nach dem Ende der DDR unter unserem vormaligen Nationaltrainer Eduard Geyer ihre größten Erfolge feierte. Der SC Cottbus hingegen brachte vor allem Radsportler, Turner, Leichtathleten und Boxer von Weltklasse hervor (u.a. die Olympiasieger Rosemarie Ackermann, Lutz Heßlich, Lothar Thoms, aber auch Dreifach-Weltmeister Bernd Drogan oder Weltmeister und Friedensfahrtsieger Hans-Joachim Hartnick).

W. Fischer

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