Die Macht soll gegeben werden dem gemeinen Volk!

Aus den Landesverbänden: Sachsen/Anhalt und Thüringen
Die Macht soll gegeben werden dem gemeinen Volk!
Den Landesverbänden Sachsen/Anhalt und Thüringen des DFV kam die traurige Ehre zu, als einzige am historischen Ort und am 500. Jahrestag der Schlacht von Frankenhausen den dort gefallenen Revolutionären gedacht zu haben. Dies findet seine Erklärung darin, daß der Jahrestag dieses Höhepunktes der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland der 25.Mai 2025 war. 1525 war nämlich noch der julianische Kalender in Gebrauch, der den astronomischen Daten und dem heute gebräuchlichen gregorianischen Kalender im 16.Jahrhundert zehn Tage hinterherhinkte. Wer am in den Quellen verzeichneten 15.Mai gedachte, hat nur 499 Jahre und 355 Tage Abstand zu diesem Epochenereignis. Die Gemeinschaft der Historiker macht sich im Gegensatz zur Februar- und Oktober-Revolution von 1917 in Rußland nicht die Mühe, die Daten umzurechnen. Leider gilt das auch für die Gedächtnis- und Müntzer-Feiern in der Deutschen Demokratischen Republik.

In den heute gebräuchlichen Kalender umgerechnet fand die Schlacht auf dem bis dahin weißer Berg oder Gipsberg genannten Hügel am Südhang des Kyffhäusers am 25.Mai 1525 statt.
Die Stadt Bad Frankenhausen des Jahres 2025 steht den DDR-Feierlichkeiten im Aufwand kaum nach, bleibt aber von der Terminfrage unbehelligt, weil sie die Schlachtnachstellungen gar nicht auf den historischen Jahrestag legen wollte, sondern die Kämpfe praktischerweise am 6. und 7.September nachstellte. Die Ausstellungen in ihrem Regionalmuseum sind schon deshalb sehenswert, weil sie von Wohlwollen und Fairness sowohl gegenüber der Sache der Aufständischen von einst wie auch der Geschichtsbetrachtung der DDR gekennzeichnet sind. Das ist nicht selbstverständlich, aber eben auch kein Zufall. Denn die Müntzerverehrung hat sich in Frankenhausen im 19.Jahrhundert entwickelt und blieb über alle politischen Regime stabil. Besonders kraß: Als in der Zeit des Faschismus das Museum umgestaltet wurde, fügte man 1942 einen Müntzer-Raum hinzu! Dafür schlossen die Nazis das Museum 1943 ganz.
Um ermessen zu können, warum es auch kein Zufall war, daß Frankenhausen und Allstedt überhaupt zu Zentren des Großen Deutschen Bauernkrieges wurden, müssen wir zunächst die geografische Situation analysieren.
Das Gesetz von der Einheit und dem Kampf der Gegensätze pflegt der Autor dieser Zeilen so zu formulieren: Der Fortschritt kommt aus den Grenzflächen. Frankenhausen liegt genau auf der historischen Grenze zwischen den Ländern Thüringen und Sachsen/Anhalt. Diese wird von einer geologischen Störung gebildet, die man Finne-Störung nennt und die sich westsaalisch über die Höhenzüge Windleite, Schmücke und Finne hinzieht, bevor sie ostsaalisch nur unterirdisch sichtbar wird. Die Störung steckt voller Salz, weshalb sich von Bischofferode über Bleicherode und Sondershausen bis Roßleben viele der wichtigsten Salzbergwerke hinzogen, bevor an der Saale selbst die Gradierwerke von Bad Sulza und Bad Kösen Auskunft über den Salzreichtum dieser Zone geben. Salz war als Währung früher viel wichtiger als Metall, worüber noch unser Wort Sold Auskunft gibt. Geld ist aber vorwiegend für Händler wichtig, für Kaufleute, also für das um 1500 aufstrebende Bürgertum. Der Adel brauchte kaum Geld, denn er preßte den Bauern die Feudallasten in Naturalien und Diensten ab. In Frankenhausen bildeten 1525 ca. 90 sogenannte Pfänner die Spitze des Bürgertums. Das waren die Eigner der Salzsiedereien, die selbst nicht mitarbeiteten, sondern Siedemeister und Knechte die eigentliche Arbeit erledigen ließen. Dennoch entwickelten sich gemeinsame Interessen mit den Bauern, weil die Bürger oft außerhalb der Stadtmauern Äcker besaßen, die der Adel mit immer stärkeren Abgaben belastete. Sowas machte der Adel nicht aus Spaß, sondern weil die Klimaverschlechterung ab Mitte des 14.Jahrhunderts eine Kette von Mißernten, dann Hungersnöten, dann Epidemien in Gang setzte. Deshalb setzt zu dieser Zeit auch die Hexenverfolgung ein. Es zeigt sich, wie richtig es ist, den Bauernkrieg in den großen Rahmen der frühbürgerlichen Revolution einzuordnen, denn die geschichtsbildende Kraft waren nicht die feudalabhängigen Bauern, sondern das aufstrebende Bürgertum.
Wie wurde die Finne-Störung zur Grenze von Thüringen und Sachsen/Anhalt?
Beide Länder decken den Raum ab, den das Altthüringer Reich einnahm, welches sich um 400 herausbildete. 531 wurde es von den Franken zerschlagen. Nach der Niederlage des Aufstandes von 551 besetzten die Franken den Südteil des Altthüringer Reiches. Daraus wurde das heutige Bundesland Thüringen. Daß die Grenze bei Heldrungen verlief, wo die Unstrut die Finne-Störung durchbricht, sich der fränkische Expansionsdrang also an diesem natürlichen Hindernis brach, dokumentieren heute noch die „Sachsenburgen“ ebendort. Denn im Nordteil Altthüringens, dem heutigen Bundesland Sachsen/Anhalt, vermischten sich die Sachsen aus dem heutigen Niedersachsen mit der altansässigen keltisch-germanischen Bevölkerung. Als die Sowjetische Militäradminitration in Deutschland 1947 das Land Sachsen/Anhalt schuf, gehörte folgerichtig der Kreis Artern mit Frankenhausen und Allstedt dazu, wie man überhaupt den verantwortlichen sowjetischen Militärs eine bessere Kenntnis der deutschen Geschichte bescheinigen muß als den heutigen demokratischen Politikern. Bei der Bildung der Bezirke 1952 wurde der Kreis Artern Bestandteil des Bezirkes Halle. Die Bezirksleitung der SED Halle war es, die den Bau des monumentalen Gemäldes „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ anregte, auch wenn 1974 noch gar nicht feststand, daß es darauf hinauslaufen würde.
Mitglied dieser SED-Bezirksleitung war der Schriftsteller Erik Neutsch. Und nun haben wir endlich die drei Elemente zusammen, die die bisherige inhaltliche Tätigkeit des DFV-Landesverbandes Sachsen/Anhalt 2025 maßgeblich prägten: Erik Neutsch, die Sowjetarmee in Deutschland und natürlich der Große Deutsche Bauernkrieg.
Am 5.April begann es im Rahmen des Quedlinburger Bücherfrühlings auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Erik-Neutsch-Stiftung und dem Rosa-Luxemburg-Club Harz, als Gunnar Decker seine gerade entstehende Neutsch-Biografie vorstellte, die zum 95.Geburtstag Erik Neutschs 2026 fertig sein soll. Hier nur soviel: Neutsch war ein klassischer Linksradikaler im alten Sinne, und jeder, der seine Werke kennt, weiß das. Neben Peter Hacks gehörte er zu den wenigen prominenten DDR-Künstlern, die 1976 nicht gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns protestierten, der sich dann im Westen immer stärker als das entpuppte, was er ist, nämlich ein rechtsextremer Kriegshetzer.
Das Jahrestreffen fand wieder in Quedlinburg statt, diesmal vom 25.bis 27.April unter dem Motto „Epochen des Umbruchs“. Am Freitagabend stellte Wolfgang Beck sein zweites Buch vor. Dort zieht er einen roten Faden der Emanzipations- und Befreiungsbewegungen von unserem Urvater Thomas Morus ausgehend über die Bauernkriege und die DDR bis in eine noch zu schaffende kommunistische Zukunft, auch wenn er diesen Begriff meidet.
Am Sonnabend vormittag führte die traditionelle Stadtführung diesmal aus Quedlinburg heraus in den Vorort Quarmbeck. Dort waren zu DDR-Zeiten die Hälfte der Einwohner Angehörige der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, die dort stationiert waren. Sehr interessant schilderte unser Sympathisant Gerd das frühere Zusammenleben. Wie es funktionierte, kann man an den Wahlergebnissen der letzten Bundestagswahlen ablesen: Im Westen, wo man die Russen nicht kennt, obsiegten die Kriegstreiberparteien; im Osten, wo man die Russen aus dieser Zeit noch gut kennt, haben überall Parteien die absolute Mehrheit, die Waffenlieferungen an die ukrainischen Faschisten ablehnen. Das Bürgerheim in Quarmbeck trägt noch heute den Namen der Sportvereinigung Dynamo. Die Zeitzeugen haben nicht das Gefühl, von den Rotarmisten wie Kriegsverlierer behandelt worden zu sein. Zurecht: Denn den Krieg verloren hatte nicht das deutsche Volk, sondern die deutsche Monopolbourgeoisie. Das wird in Kürze wieder so sein.
Die gegenwärtigen Massenmedien und Regierungspolitiker der BRD behaupten, Wladimir Putin führe einen hybriden Krieg gegen Deutschland und hetze die Bevölkerung gegen die Regierung auf, was gerade im Osten sehr gut funktioniere. Hören wir zu dieser Frage den Pfarrer Thomas Müntzer:
„Das machen die Herren selber, daß ihnen der gemeine Mann Feind wird.“
Und so kam als Hauptteil, Sonnabendnachmittag, 26.4., die wissenschaftliche Konferenz „Thomas Müntzer – 500 Jahre Deutscher Bauernkrieg“, auch sie wieder gemeinsam mit dem Rosa-Luxemburg-Club Harz organisiert.
Während der Landesvorsitzende Thomas Loch seinen Vortrag mit „Thomas Müntzer, Theologe und Revolutionär, der große Bauernkrieg als Höhepunkt einer Epoche im Umbruch und historische Parallelen“ überschrieb, referierte Ute Tichatschke über erinnerungsgeschichtliche Fragen: „Thomas Müntzer und der Traum von der „Gerechtigkeyt“ – Das Müntzerbild vom 16. Jahrhundert bis heute“, jeweils mit ausführlicher Diskussion, in die auch Berichte über neue lokalgeschichtliche Forschungsergebnisse zum Bauernkrieg einflossen.
Der gelungene Bundesverbandstag in Bad Frankenhausen mit Thomas-Müntzer-Tag schloß dann die Höhepunkte des Frühlings ab.
Zum Schluß noch eine Betrachtung zu der Frage, warum sich die Haupteignisse 1525 im Mai ballen: Hier wird der bäuerliche Arbeitsrhytmus deutlich. Nach der Aussaat im März gibt es wenig auf den Feldern zu tun. Erst, als im Sommer die Erntezeit begann, mußten die Bauern zurück auf’s Feld und die Haufen der Aufständischen liefen auseinander. Die angesprochenen zehn Tage Differenz der Kalender und also die Justierung der Ereignisse hinsichtlich des Arbeitskalenders der Bauern spielen somit wohl eine Rolle. Denn natürlich ist vor der Zusammenrottung und den Stürmen auf Klöster und Adelssitze ein kommunikativer Aufwand erforderlich, der Zeit benötigt. Man könnte einwenden, im Herbst hätten die Bauern damals dazu auch Zeit gehabt, denn Zuckerrüben, andere Hackfrüchte, Kartoffeln, Tomaten und Mais, die heutzutage im Herbst die Bauern beschäftigen, wurden noch nicht angebaut, da großteils erst aus Amerika eingeführt. Aber: Im Herbst ist die neue Ernte herein, und der Leidensdruck nicht so groß wie im Frühling, wenn die Vorräte aufgebraucht sind. Das Christentum hat schon immer aus der Not eine Tugend gemacht, und die vorösterliche Zeit, wenn die Leute hungern mußten, zur Fastenzeit erklärt. Warum aber soll der Bauer fasten, wenn sich die Mönche den Wanst mit seinen Produkten vollhauen?
In der 1848er Revolution lautete daher eine Liedzeile:
„Und sehen wir noch Tyrannen froh und schwelgen beim Gelag‘,
wir hungern gern, denn gar nicht fern ist unser Freiheitstag!“
Witold Fischer