„Thomas Müntzer, Theologe und Revolutionär, der große Bauernkrieg, ein Höhepunkt einer Epoche im Umbruch und historische Parallelen.“

Es war ein Höhepunkt einer Epoche, aber was ist schon eine Epoche? Wenn nicht ein historisch bestimmter Zeitabschnitt in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft. Wenn es nun um historische Parallelen geht, so ist es angebracht die Epochen zu vergleichen, oder zumindest Parallelen die Epochen betreffend festzustellen. Zu diesem Zweck ist eine nähere Klärung des Begriffes angebracht. Der Begriff Epoche steht in engen Zusammenhang mit dem Begriff der ökonomischen Gesellschaftsformation. Er bezieht sich entweder auf den gesamten Zeitabschnitt einer Gesellschaftsformation (z.B. Sklaverei, Epoche des Feudalismus, Kapitalismus) oder auf einen besonderen Entwicklungsabschnitt innerhalb ein und derselben Gesellschaftsformation (z.B. Epoche des vormonopolistischen Kapitalismus, Epoche des Imperialismus) oder auf den Prozess des Übergangs von einer Gesellschaftsformation zur anderen. So leben wir gegenwärtig in der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab. Auch wenn diese Erkenntnis heute nicht gerade populär, änder sich daran nichts.
Die Epoche in welcher Thomas Müntzer lebte, war die Epoche des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus, allerdings nicht im Weltmaßstab, sondern im europäischen Maßstab. Da beide Epochen des Übergangs waren und sind, gibt es Parallelen, zumindest was die Entwicklungen im Verlauf dieser Epochen betrifft. Sie sind in sofern verschieden, dass die agierenden Klassen heute anders formieren und die Produktivkraftentwicklung sich auf einem wesentlich höheren Niveau befindet. Die Klasse, welche damals im Aufstieg begriffen, findet sich heute im Niedergang und die aufsteigende Klasse waren nicht die Bauern, sondern das Bürgertum.
Die Epoche des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus in Europa zog sich über einen langen Zeitraum, der große Bauernkrieg stand als heftige Auseinandersetzung ziemlich am Anfang dieser Entwicklung und war selbst das Ergebnis eines längeren Prozesses. Letztlich brauchte es drei große Ereignisse, welche zum Sieg des Bürgertums führten, in dem die erworbene ökonomische Macht, durch den erfolgreichen Kampf um die politische Macht ergänzt wurde. Die erste große Auseinandersetzung war die frühbürgerliche Revolution in Deutschland, zu welcher neben der Reformation, der Ritteraufstand und der große Bauerkrieg gehörten. Der Kampf des europäischen Bürgertums gegen den Feudalismus spitzte sich also in drei großen Entscheidungsschlachten zu. Die erste war die schon erwähnte Reformation in Deutschland, sie war eine Rebellion gegen die Kirche und wurde durch zwei politische Aufstände begleitet, zuerst der des niederen Adels unter Franz von Sickingen und Ulrich von Hutten 1523 und dem großen Bauernkrieg unter entscheidenden Einfluss von Thomas Müntzer 1525. Beide wurden niedergeschlagen. Allerdings wurde im Ergebnis der Reformationsbewegung die Macht des weltlichen Adels im Verhältnis zum geistigen Adel, speziell zur römischen Zentralgewalt, gestärkt, es kam zu einer erheblichen Machtverschiebung innerhalb der herrschenden Klasse. Was die Grundlage zur Entwicklung eines eigenständigen Nationalstaates bot und damit das Bürgertum gestärkt wurde.
Die zweite große Erhebung dieser Übergangsepoche war die Erhebung in England, ihre ideologische Theorie fand diese Bewegung im Calvinismus fertig vor. Die Bürger der Städte setzten die Bewegung in Gang und die Bauern erkämpften den Sieg. In allen der drei großen bürgerlichen Revolutionen liefern die Bauern die Armeen, dabei sind die Bauern die Klasse, welche nach erfolgtem Sieg durch die ökonomischen Folgen am sichersten ruiniert wurden.
Die dritte große Erhebung war die große französische Revolution, sie hatte den religiösen Mantel gänzlich abgeworfen und wurde unverhüllt auf politischen Boden ausgekämpft. Sie war die erste Revolution welche einen absoluten Sieg errang, bis zur Vernichtung der Aristokratie und zum vollständigen Sieg der Bourgeoisie.
Es war ein langwieriger Prozess, in welchen Erfahrungen gesammelt und gelernt wurde. Selbes trifft für die gegenwärtige Epoche des Übergangs zu, die Religionen haben an Bedeutung verloren und mittels Religion kann keine Revolution gewonnen werden, eine Erfahrung welche die drei großen bürgerlichen Revolutionen mit sich brachten. Und was damals galt, gilt heute mehr den je. Allerdings wurde die einstiege Rolle der Religionen, welche Müntzer noch im Interesse der Bauern nutzen wollte, längst von den Medien übernommen. Auch ist die Bildungsfrage eine Machtfrage und so ist das aktuelle Bildungssystem auf den Erhalt des gegenwärtigen gesellschaftlichen Systems ausgerichtet und damit reaktionär, destruktiv. Weiter spielen technologische Entwicklungen eine wichtige Rolle, so war es der Buchdruck mit bewegliche Lettern, welcher nicht unerheblich zum Erfolg der Reformationsbewegung zu Beginn des 16 Jahrhunderts beitrug. Reformationsbewegungen hat es vor dem schon gegeben, allerdings waren diese nicht in dem Maße populär, erinnert sei in diesem Zusammenhang an Jan Huss, welcher letztlich auf dem Scheiterhaufen endete. Die Erfindung Gutenbergs ermöglichte es Informationen wesentlich schneller zu publizieren und zu verbreiten. Heute haben wir ähnliche Entwicklungen, das Internet bietet Möglichkeiten, wovon unsere Vorfahren nur träumen konnten, allerdings setzt die Nutzung moderner Technologien bestimmte Fähig- und Fertigkeiten voraus, wie zum Beispiel die Fähigkeiten lesen und schreiben, zu selektieren, wichtiges zu erkennen, Ross und Reiter richtig zu benennen und vor allen sich objektiver Interessen bewusst zu sein. Eine gute weltanschauliche Grundlagenbildung ist etwas notwendiges, wenn es streben ist die Welt im progressiven Sinn zu verändern. Mit Glauben ist die Welt heute nicht zu verändern, war sie früher auch nicht, es braucht Wissen und Wissen muss errungen werde, dazu aus der Geschichte zu lernen ist wichtig, allein schon um Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Und vor allem braucht es die bewusste, zielorientierte und organisierte Tat, entsprechend der Erkenntnis objektiver Notwendigkeit. Da aber die Bedeutung der Wissenschaft von den Herrschenden erkannt, wird diese oft und zweckdienlich in den Status einer Religion erhoben. Die Wissenschaft hat zu begründen, was Politiker erfinden und dabei dürfen die verkündeten Erkenntnisse nicht in Frage gestellt werden! Letztes allein negiert schon Wissenschaft an sich. Brecht setzt sich in seinem Werk „Leben des Galilei“ mit diesem Thema auseinander, der Widerruf des Galilei lässt die Wissenschaft ihre Unschuld verlieren und zur Hure der Politik mutieren. Wie heute so etwas funktioniert war gut während der Zeit der Politik der Pandemie zu sehen. In der DDR war dieses Werk von Brecht Abiturstoff in der 12 Klasse, heutzutage gönnt man diesem Jahrgang oft nicht einmal mehr Goethes Faust, der Tragödie erster Teil, vom zweiten ganz zu schweigen.
Eine Erkenntnis aus den historischen Entwicklungen ist zum Beispiel, dass es sich bei grundsätzlichen gesellschaftlichen Veränderungen in der Regel um längere Prozesse handelt, dabei scheinen Entwicklungen nur gradlinig zu verlaufen, bei genauer Betrachtung kann erkannt werden, dass Geschichte im Zick-Zack-Kurz verläuft, es ist ein auf und nieder, vor und zurück, auf dem Weg vom niederen zum höheren, mit fortschreitender Erkenntnis.
In den Auseinandersetzungen jeder Zeit spielen die verschiedensten Akteure eine Rolle und wenn sich ein gesellschaftliches System im Niedergang befindet, wird nach Alternativen in den verschiedensten Richtungen gesucht. Wie die Bewegungen im ausgehenden Mittelalter, zum Beginn der Neuzeit zeigen. Das reicht von Zurück in „eine schöne heile Welt“, als welche in der Regel jene Zeit betrachtet wird, in der die Gesellschaftsformation noch auf dem aufsteigenden Ast ihrer Entwicklung, also noch progressiv zu nennen war, und/oder es der betreffenden Gruppe gut gegangen, auch bestimmte Entwicklungen welche diese Formation im Verlauf ihrer Existenz hervorgebracht, ein Zurück in die der aktuellen Gesellschaftsformation vorgelagerte Formation wird angedacht, alles Ritter, keiner Knecht, war die Welt den wirklich schlecht? Aber gelegentlich wird an die Zukunft gedacht und ist es Streben dem bestehenden ein Ende zu bereiten, „denn alles, was entsteht, ist wert, daß es zugrunde geht;“ (Goethe) und etwas neues aufzubauen. Müntzer drückte diese mit der „Vorhersage eines kommenden tausendjährigen Reiches des Friedens und der Gerechtigkeit, dem jedoch das Strafgericht Gottes über die „verderbte Welt“ vorausgehen wird.“ aus. Und für die Gegenwart der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft bedeuten würde und auch da ist es notwendig aus der Vergangenheit zu lernen. Die Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus ist längst im Gang, einen ersten Höhepunkt hatte diese mit der Pariser Kommune, in Folge des deutsch-französischen Krieges, die Lehren aus diesem Ereignis wurden in der Oktoberrevolution berücksichtigt, welche in Folge des ersten Weltkriegs stattfand und den ersten sozialistischen Staat hervorbrachte, die weitere Entwicklung führte zur Entstehung des sozialistischen Lagers im Ergebnis des zweiten Weltkriegs. Die historischen Auseinandersetzungen führten in Folge zu einer erheblichen Schwächung des Sozialismus und stellen einen Rückschritt in der Entwicklung dieser neuen Gesellschaftsformation und damit in der Entwicklung zum gesellschaftlichen Fortschritt da. Die inneren Widersprüche innerhalb der Imperialistischen Staaten spitzten sich weiter zu, der Sozialismus begann sich neu zu entfalten und seine ökonomischen Potenziale wurden gerade in China enorm weiterentwickelt. Die Produktivkraftentwicklung in den imperialistischen Zentren ist eher rückläufig, es werden immer mehr Produktivkräfte in Destruktivkräfte verwandelt. Den imperialistischen Volkswirtschaften fällt es immer schwerer moderne Produktivkraftentwicklung zu beherrschen, was gut an modernen, technologischen Entwicklungen und den Umgang mit diesen zu sehen ist.
Die Hauptlast dieser Auseinandersetzungen hatten nicht mehr die Bauern zu tragen, sondern das Proletariat. Aus den Kriegen heraus kämpfte es besonders intensiv um seine Befreiung, auch weil im Krieg das Proletariat die größten Opfer bringen musste.
500 Jahre Großer Bauernkrieg, ein halbes Jahrtausend Geschichte, wie damals gibt es heute die verschiedensten Akteure in der Politik, es können Vergleiche gezogen werden, Akteure eingeordnet, Entwicklungen aufgezeigt. Damals wie heute wird in die verschiedensten Richtungen gestrebt und eine jede Richtung schafft sich ihre Vertreter und Organisationen, wir haben die Zentralgewalt, eine den Staaten übergeordnete Staatsform in einem großen Teil Europas, einst war es die römisch-katholische Kirche, heute ist eine solche Form des Staates die EU, nationale Rechte werden abgetreten und demokratische Errungenschaften der Völker mit deren Hilfe negiert. Wie die Vertreter der Papstkirche damals, haben die Vertreter der EU auch ihre Widersacher, einst waren es in Deutschland die Lutheraner, welche einem Teil der herrschenden Klasse dienlich, heute ist es zum Beispiel die AfD, wo einst der mittlere Adel abstürzte, befindet sich heute die Mittelschicht im beständigen Singflug. Die Bauernschaft, einst die zahlenmäßig stärkste Kraft, ist längst in der kapitalistischen Produktionsweise angekommen und aufgegangen und das Proletariat hat gegenwärtig Schwierigkeiten sich selbst zu erkennen, weil es in der Regel heute noch dargestellt wird, wie vor 100 Jahren und nicht der aktuellen Produktivkraftentwicklung entsprechend sich organisiert. Ideologisch betrachtet, die Luthers sind da, die Mitte der Gesellschaft kämpft gegen ihren Niedergang, an Müntzers fehlt es allerdings im Land!